Der Siegeszug „Albrecht des Bären“

 

Das Gebiet der späteren Mark Brandenburg wurde jahrhundertelang von slawischen Stämmen bevölkert, die im 6. und 7. Jahrhundert in eine vermutlich weitgehend unbesiedelte Region eingewandert waren, nachdem die ursprünglich hier ansässigen Germanenstämme ( Semnonen und Burgunder) im Zuge der Völkerwanderung in Richtung Süden und Westen abgezogen waren.
Im östlichen Raum siedelte der slawische Stamm der Sprewanen, die ihre Hauptburg im späteren Köpenick (slawisch > Copnic < = Ort auf Insel) hatten, und im westlichen Raum der Heveller – die sich selbst als > Stodoranen < bezeichneten – mit Ihrer Hauptburg in Brandenburg( > Brennaburg <
und einer weiteren wichtigen Festungsanlage auf der Burgwallinsel von Spandau (bis 1878 Spandow).

Bereits im frühen 10.Jahrhundert kehrten die fränkisch/sächsischen Nachfahren der Germanen ins Havelland zurück, und zwischen 928 unter dem deutschen König Heinrich I.
und 936 unter Kaiser Otto I. wurden die Slawen in mehreren Schlachten besiegt.

Es erfolgte die Einrichtungen von Markgrafschaften in den eroberten Gebieten sowie die Gründung
der Bistümer Brandenburg und Havelberg. Die deutsche Herrschaft währte jedoch nicht lange, denn im großen Slawenaufstand von 983 verbündeten sich zahlreiche slawische Stämme unter der Führung der Liutizen und konnten die Eroberer östlich der Elbe vertreiben und ihre Unabhängigkeit
wiedererlangen, die allerdings künftig von unablässigen Kleinkriegen auch untereinander begleitet wurden.

Erst 150 Jahre später wendete sich das Blatt erneut mit dem Auftreten einer mittlerweile legendären
Gestalt, die sowohl militärisch als auch diplomatisch äußerst effektiv und geschickt agierte und zu
Stammvater künftiger berlin-brandenburgischer Herrscher wurde.

Die Person war ursprünglich als Albrecht (oder Adelbert, Albertus) von Ballenstedt bekannt, und erhielt später den klangvollen Beinamen >der Bär<. Die Herkunft dieser Bezeichnung ist umstritten. Als Nachfolger seines Vaters, des Grafen Otto der Reiche aus dem Hause Askanier, wurde Albrecht/Adelbert 1123 zuerst Graf von Ballenstedt und damit verantwortlich für ein Gebiet, das sich heute vom Ostharz bis zur Grafschaft Anhalt im heutigen Dessauer Raum erstreckt.

Da seine Mutter Eilika (niederdeutsch für Adelheid) aus dem Geschlecht der Billunger die Tochter
der verstorbenen Herzogs Magnus von Sachsen war, bemühte sich Albrecht sein Leben lang um die sächsische Herzogswürde, doch dieses Ziel konnten erst seine Nachkommen längerfristig verwirklichen.

Weitaus erfolgreicher war Albrecht der Bär bei seinen Bestrebungen, die askanische Einflusssphäre nach Nordosten auszudehnen. Nachdem er sich beim ersten Italienzug von Lothar III. Ausgezeichnet hatte, wurde er 1134 von diesem Kaiser zum Markgrafen der Nordmark ( etwa ein Gebiet der heutigen Altmark) ernannt. Ferner nahm er nach Kämpfen mit den Slawen im Raum Havelberg (1136-37) am großen Wendenkreuzzug von 1147 teil, wo er das Hauptheer von Magdeburg über Havelberg bis nach Stettin führte und als Resultat sowohl endgültig die Oberhoheit über den Bischofssitz Havelberg gewann als auch an der Oberhavel neue Landgewinne im Siedlungsgebiet der Retschanen in der Region Gransee/Zehdenick/Templin verzeichnen konnte.

Noch wichtiger als die militärischen Erfolge waren aber Geduld und diplomatisches Geschick, die Albrecht entschieden weiterbrachten. Schon als er gerade das Erbe seines Vaters angetreten hatte schloss er zwischen 1123 und 1125 einen Vertrag mit dem Heveller Pribislaw-Heinrich, einen christlichen Angehörigen des stodoranischen Fürstenhauses, der in Brandenburg an die Macht kommen wollte. Als Gegenleistung für Albrechts Unterstützung in diesem Kampf bestimmte er Albrecht zu seinem Nachfolger und wurde zudem der Taufpate von Albrechts Sohn Otto, dem er zur Taufe die Zauche schenkte, also die Landschaft zwischen Potsdam und Brandenburg südlich der Havel.

Im Jahr 1127 wurde der damalige Hevellerherrscher Meinfried ermordet, wobei über die Täter und die Hintergründe nichts überliefert wurde, und Pribislaw-Heinrich konnte sich letztlich als neuer Herrscher der Heveller durchsetzen. Den Lohn für seine Unterstützung konnter der Askanier erst 25 Jahre später einstreichen, denn im Jahr 1150 starb Pribislaw-Heinrich kinderlos, und Albrecht konnte sein hevellisches Erbe antreten.

Wie dramatisch und spannungsreich diese Machtübernahme ablief, kann man bei Heinrich von Antwerpen nachlesen, einem Domherren von Brandenburg der im späten 12.Jahrhundert die älteste vorliegende Chronik der Mark Brandenburg verfasste und die Situation nach dem Tod des Hevellerfürsten wie folgt beschrieb:

>>….da sie wusste, dass das Volk des Landes zu Götzenverehrung neigte, wollte also seine Witwe das Land lieber den Deutschen übergeben als den heidnischen Götzenkult noch länger dulden.

Geleitet von weisen Ratschlägen, verbarg sie ihren schon seit 3 Tagen toten unbeerdigten Gemahl, was ausser dessen engster Umgebung niemand wusste, teilte dem Markgrafen Adelbert, den er zu seinem Erben bestimmt hatte, das Geschehene mit und rief ihn herbei, auf dass er zur Übernahme der Burg erscheine …<<1

Albrecht erschien tatsächlich und übernahm die Burg auf wohl recht friedliche Weise – aber damit war seine Herrschaft über Brandenburg noch nicht endgültig gesichert. Er hinterließ eine Wachmannschaft in der Festung und musste als vielbeschäftigter Mann alsbald wieder verlassen –
nur waren seine Wachleute offenbar nicht sehr vertrauenswürdig, denn sie ließen sich bestechen und ein polnischer Konkurrent um des Erbe namens Jaxa ( entweder Jacza/Jaczo von Köpenick, oder ein Graf Jaxa von Miechow bei Krakau) konnten Brandenburg im Handstreich einnehmen.

Somit war Albrecht im Jahr 1157 gezwungen, ein Heer aufzustellen, und diesmal militärisch gegen Brandenburg und seine polnischen Verteidiger vorzugehen. Nach längerer Belagerung und blutigen Kämpfen gaben die Belagerten auf – und der Schildhornlegende zufolge gelang es Jaczo von Köpenick nur mit knapper Not und göttlicher Hilfe, seinen Verfolgern zu entkommen und über die Havel zu flüchten, woraufhin er zum Christentum übertrat.
Albrecht der Bär konnte am am 11.Juni 1157 feierlich und jetzt endgültig in Brandenburg
einziehen – und dieses Ereignis wurde später der Anlass, das Jahr 1157 als Gründungsjahr der Mark Brandenburg festzulegen, zumal sich Albrecht selbst nur kurze Zeit später,am 3.Oktober 1157,
zum ersten mal in einer Urkunde als >> Markgraf in Brandenburg << bezeichnete.

Die damalige Mark Brandenburg war noch deutlich kleiner als die heutige, zumal der siegreiche Markgraf wohl einen Teil der gewonnen Gebiete an die ihn unterstützenden Adeligen abgeben musste. Sie umfasste lediglich die Umgebung einiger Städte, die Zauche und eine Region an der Oberhavel. Zur Gründung eines Marktes in Stendal, etwa um 1160,
bezeichnete Albrecht die Orte
Brandenburg, Havelberg, Werben (Elbe), Arneburg, Tangermünde, Osterburg und Salzwedel als Burgen seiner Mark. Doch er bereits begann damit – wie später seine Nachkommen – zum Ausbau der Region
zahlreiche Siedler in die neuen Landen zu holen, und schickte dazu Boten in die heimischen Harzregionen, nach Frank, Thüringen und sogar bis nach Holland und Flandern.

Der Askanier Albrecht der Bär erreichte ein für seine Zeit hohes Alter von 70 Jahren.

Nachdem er noch im Aug 1170 der Weihe des Havelberger Doms beigewohnt hatte, starb er am 18. November desselben Jahres und wurde in der Heimat seiner Vorfahren im Kloster von Ballenstedt bestattet. Die Herrschaft über die Mark Brandenburg ging auf seien ältesten Sohn Otto I. Über,und dieser Markgraf sowie dessen Söhne und Enkel dehnten den markgräflichen Herrschaftsbereich energetisch und konsequent aus, der in der Mitte des 13. Jahrhunderts sogar die Oder überschritt. In dieser Phase der Ostexpansion der Mark Brandenburg fällt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Gründung von Berlin und Cölln.

 

Berlin im Mittelalter – Berlin/Cölln unter den Askaniern Norbert W.F. Meier  Seite 22 – 25

Literatur zu diesem Kapitel: 2003 Böhlau Verlag- Albrecht der Bär /Partenheimer, S.66-76

1 Übersetzt aus dem Lateinischen von Lutz Partenheimer

 

Kommentar schreiben